Als Single freiwillig Mutter werden: Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen!
Wie denkt eine Mutter, die sich als Single bewusst dafür entschieden hat, ein Kind zu bekommen, über das Kinderkriegen ohne Partner? Und wie lässt sich die Auswahl eines Samenspenders unter Einbeziehung von Familie und Freunden unterhaltsam gestalten?
Lustigerweise gibt es in vielen Gesellschaften auf der Welt kein Wort für „alleinerziehende Mutter“. Das gibt es dort einfach nicht. Nicht etwa, weil es keine Frauen gäbe, die ohne den biologischen Vater Kinder großziehen, sondern weil Kinder in der Gemeinschaft groß werden, in der Großfamilie. Die Mütter sind nicht allein, alleinstehend oder gar einsam.
Meine Entscheidung, als Single ein Kind zu bekommen, ist wie bei anderen Frauen nicht einfach vom Himmel gefallen. Mein Plan A war es, mich zu verlieben, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Dann ist es doch ganz anders gekommen.
Mit 30 habe ich schließlich nach langen Überlegungen für mich entschieden, dass ich meine Prioritäten (zu lieben und ein Kind zu haben) nicht unbedingt verknüpfen muss. Ich kam zu Schluss, dass ich, wenn ich die beiden Ziele voneinander trenne, viel authentischer daran arbeiten kann. So musste ich auch nicht auf den „Richtigen“ oder den „richtigen Zeitpunkt“ warten, um Mutter zu werden. Und ich konnte mich um mein Liebesleben kümmern, ohne immer auf meine biologische Uhr schielen zu müssen.
Meine Entscheidung fühlte sich richtig an und meine Familie und Freunde unterstützten mich, wie man es sich nur wünschen kann. Nun ging es aber daran, einen Samenspender auszusuchen!
Wer schon einmal mit Online-Dating zu tun hatte, kann sich vorstellen, dass die Auswahl eines Samenspenders ganz ähnlich ist, nur krasser! Nach rechts wischen für ein „Like“ und nach links für ein „Nein, danke“ (so ungefähr). Kinderwunschbehandlungen haben wirklich nichts, aber wirklich auch gar nichts mit einem romantischen Candle-Light-Dinner gemeinsam! Darum dachte ich bei mir, dass man es auch lustig gestalten kann.
Nachdem ich meine Suche nach einem Samenspender (mit Hilfe meiner Mutter) auf 9 Spender eingegrenzt hatte, habe ich meine Liste an meine Familie und Freunde weitergegeben. Das ging von meiner 10-jährigen Patentochter bis zu meiner 86-jährigen Oma. Sie sollten sich die Profile durchlesen, ihren Favoriten heraussuchen und erklären können, wieso ich den von ihnen gewählten Spender nehmen sollte.
Natürlich hatte ich, die Unabhängigkeit in Person, schon vor Beginn der Party einen Favoriten für mich gekürt, dennoch war es ein wunderbares Erlebnis. Es war einfach toll, meine Liebsten um mich zu haben, die sich die Zeit nehmen, die Spender durchzugehen und mir gut durchdacht zu zeigen, warum ich mich für ihren Favoriten entscheiden sollte. Spannend war auch, dass der Spender, der auf der Party die meisten Stimmen bekam, auch der Spender war, den ich für mich ausgesucht hatte. Alle standen zu 100 % hinter meiner Entscheidung, die Behandlung in Angriff zu nehmen!
Nur ein paar Wochen nach der Samenspender-Auswahlparty ging es los. Ich hatte mich gegen eine IUI und gleich für eine IVF, also eine In-vitro-Fertilisation, entschieden. Nicht etwa, weil irgendwelche Untersuchungsergebnisse das nötig gemacht hätten, sondern weil ich mein Geld für die Behandlungsmethode ausgeben wollte, die die höchsten Erfolgschancen verspricht.
Zu jedem einzelnen Termin hat mich ein Familienmitglied oder ein guter Freund begleitet. Eine meiner besten Freundinnen durfte sogar beim Transfer an Tag 5 dabei sein. So waren Familie und Freunde persönlich auf meinem Weg zur Schwangerschaft dabei. Ich habe mich nie allein gefühlt.
Leider hat es beim ersten Versuch nicht geklappt. Ich habe allerdings noch mehr Fläschchen mit Sperma eingelagert. Ich muss jetzt nur noch ein wenig sparen, dann versuche ich es ein zweites Mal. Zum Glück bin ich erst 32. Ich habe also noch keine Eile. Währenddessen verbringe ich meine Zeit mit meinen Unterstützern und habe Spaß. Vielleicht finde ich ja sogar die Liebe. Man weiß nie.
Drückt mir die Daumen und wünscht mir Erfolg fürs nächste Mal.
/Als Single freiwillig Mutter werden
Anmerkung: Der echte Name wurde zu „Ellen“ geändert, da die Autorin anonym bleiben möchte.